Wie war meine Woche? Das lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Familienfeier. Ein runder Geburtstag in meiner Heimatstadt Dortmund stand auf dem Programm. Familienfeiern sind ja nun des einen persönlicher Vorhof der Hölle, des anderen Höhepunkt des Jahres. In meinem speziellen Fall – so als Krimi-Autorin – jedes Mal wieder ein unerschöpflicher Quell der Inspiration. Für Mord-Ideen.
Umbringen zum Beispiel könnte ich Tante Hedda. Die sehe ich alle Jubeljahre und jedes Mal wieder begrüßt sie mich mit den Worten: „Kind, was bist du dünn geworden!“. Und ich frage mich jedes Mal wieder, ob sie einfach möchte, dass ich mich mit einer ähnlich infamen Lüge revanchiere (wir haben beide seit der letzten Begegnung mindestens fünf Kilo zugenommen) oder ob sie einen Knick in der Optik hat. Vielleicht meint sie auch nur , dass das eine super Eröffnung für ein Gespräch mit jemandem ist, an den man durch extrem verdünntes Blut in den Adern ein Leben lang verwandtschaftlich gebunden ist. Ich jedenfalls denke sofort an ein schönes Gift im Essen, wenn ich Tante Hedda sehe.
Ganz oben auf der Liste potentieller Opfer steht auch „Onkel“ Alfons, von dem keiner genau weiß, wie und warum man überhaupt mit dem verwandt ist, der aber trotzdem immer eingeladen wird. Onkel Alfons hat sich in den diversen Jahrzehnten, die wir uns nun schon kennen, aus meinem Lebenslauf lediglich gemerkt, dass ich mal einen Hund hatte, der Lola hieß. Sehr schön anzusehen seine Überraschung und Freude, dass die liebe Lola immer noch lebt – in seiner Welt wäre sie mittlerweile ein gutes Vierteljahrhundert alt. Ich habe vor vielen Jahren aufgegeben, ihm zu erklären, dass der jeweils aktuelle Hund an meiner Seite eine andere Rasse ist – und Farbe hat – als die liebe Lola damals. Im Geiste sehe ich immer ein sehr ärgerliches Wildschein, wenn ich Onkel Alfons gegenüberstehe.
Und dann wäre da noch Cousin Karl, der gerne redet. Über sich. Ausschließlich. Wenn man Karl etwas erzählt, unterbricht er einen nach maximal 30 Sekunden, um zu berichten, was er Spannendes zu dem Thema auf Lager hat. Karl sehe ich in meinen Familienfest-Fantasien oft geknebelt auf einem sehr hohen Dachboden. Ohne Leiter nach unten.
Töten würde ich allerdings auch für den Streuselkuchen von Tante Inge – zum Beispiel Tante Inge. Die rückt das Rezept seit gefühlt einem Jahrhundert nicht raus und wird es irgendwann mit ins Grab nehmen. Fragt sich nur, ob es ein natürlicher Tod wird oder ich sie zuvor – natürlich nur im Geiste – in einem Mehlsack ersticken lasse.
Aber es gibt selbstverständlich auch nette Momente. Die Übergabe der Packung Knusperplätzchen zum Beispiel, die Oma Käthe (die gar nicht meine Oma ist, aber das ist ein anderes Thema) seit Jahrzehnten kauft, weil ich die so gerne mag. Mein Lob der Kekse vor vielen Jahren war übrigens reine Höflichkeit, aber ich bin trotzdem jedes Mal wieder gerührt und esse die furztrockenen Dinger daheim sogar auf. Oma Käthe wird definitiv das Opfer, das am Ende gerettet wird.
Und irgendwie ist so eine Familienfeier am Ende doch etwas Schönes. Niemand hat sich verändert, man kann sich auf Sprüche und immer wieder erzählte Anekdoten verlassen, wie auf den täglichen Sonnenaufgang. Womit wir bei Onkel Dieter wären, der jedes Gespräch mit der schlecht gesungenen Weisheit beendet: „Aber immer immer wieder geht die Sonne auf.“ Und ich denke still bei mir: Wirklich, Onkel Dieter? Wirklich? Für dich vielleicht bald nicht mehr …
Laut würde ich meine schlimmen Fantasien natürlich niemals kundtun. Wir haben uns schließlich alle lieb, auch wenn es oft schwer fällt. Zum Beispiel bei der immer wiederkehrenden Frage von Cousine Karla, wo ich nur die ganzen Ideen für meine Krimis herhabe. Da lächele ich als Antwort ganz still und mache ein mysteriöses Gesicht. Cousine Karla hat drei wohlgeratene Überfliegerkinder, von denen sie gerne viel erzählt, während ich hoffe, dass meine beiden Pubertiere sich am Kuchenbuffet nicht zerfleischen, wer das letzte Stück Schokotorte kriegt. In meinem Kopf schmieden Karlas Vorzeigekinder allerdings derweil einen perfiden Plan, wie sie Mutti um die Ecke bringen. Aber das wird Cousine Karla nie erfahren.
Ein bisschen freue mich jetzt, wo es vorbei ist, sogar schon auf das nächste Familienfest. Gerne so in zwei Jahren. Oder drei.
Liebe Anne, oh wie toll, Du hattest ja eine ereignisreiche Woche und mit Sicherheit – so wie ich Dich kenne – gute Informationen für den nächsten Berlin-Krimi mitgenommen von der Geburtstagsfeier. Solche Feiern können mitunter sehr lustig, aber auch sehr frustrierend sein. Aber wenn Du wenigstens „Futter“ fürs nächste Buch bekommen hast, dann ist ja alles okay. Ich habe auf jeden Fall herzlich gelacht über Deine tolle Verwandtschaft.
Ich wünsche Dir noch ein schönes Wochenende, viel Spaß beim Schreiben und grüß die Mädels, wenn sie wiederkommen, und vor allem Holly und Eddi. Liebe und herzliche Grüße von Heidi
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