Allgemein Holly & Edgar

Holly. Ein Hundeleben – Das Buch

Leute, ich bin es, eure Holly Höllenschlumpf. Endlich mal wieder! Man könnte meinen, ich hätte die ganze Zeit faul in meinem Körbchen gelegen, solange habe ich hier nichts geschrieben, aber von wegen. Ich war fleißiger denn je. Frauchen hat sich entschlossen, nicht nur ihre Krimis zu schreiben, sondern ein Buch über mich. Wurde ja auch Zeit.

Leute, ich bin es, eure Holly Höllenschlumpf. Endlich mal wieder! Man könnte meinen, ich hätte die ganze Zeit faul in meinem Körbchen gelegen, solange habe ich hier nichts geschrieben, aber von wegen. Ich war fleißiger denn je. Frauchen hat sich entschlossen, nicht nur ihre Krimis zu schreiben, sondern ein Buch über mich. Wurde ja auch Zeit. Ich meine, immerhin gebe ich seit nunmehr zwei Jahren alles, um mein Rudel zu unterhalten. Ich bin Action pur, wie Frauchen gerne sagt. Klang mal wieder nicht wirklich dankbar, eher vorwurfsvoll. Verstehe ich gar nicht. Manchmal sitzt sie tagelang vor dem Computer und starrt den Bildschirm an, weil ihr für ihre Krimis nichts einfällt, bei meinem Buch dagegen hatte sie es einfach. Ich habe ihr so viele coole Ideen geliefert, das Manuskript hat sich quasi von selber geschrieben. Und jetzt ist die Rohfassung fertig. Frauchen meint, sie müsse da schon noch ganz schön viel dran überarbeiten, aber ich habe sie überredet, zumindest schon mal die ersten Kapitel hier auf dem Blog einzustellen. Damit ihr wisst, worauf ihr euch freuen könnt.

Viel Spaß beim Lesen, eure Holly Höllenschlumpf

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Vorwort

Die Geschichte von Menschen und Hunden ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Glauben Sie nicht, Sie haben schließlich einen Hund und mit dem verstehen Sie sich ganz prima? Der Hund versteht Sie und Sie verstehen Ihren Hund? Sie sind ein Team? Nein. Wirklich nicht. Tut mir leid. In Wahrheit hat Ihr Hund Sie verstanden und macht einfach das Beste draus. Und nicht nur das. Der spielt Sie wie ein Klavier. Die meisten Hunde sind übrigens verdammt gute Klavierspieler, nicht wenige Virtuosen. Googeln Sie mal beste Klavierspieler der Welt. Rubinstein, Horrowitz und Rachmaninoff. So hätten Sie getrost Ihren Hund nennen können. Natürlich fällt auch bei den Hunden kein Meister vom Himmel, aller Anfang ist schwer, und genau, nur Übung macht eben jenen Meister. 

Ihr Interesse ist geweckt? Sie würden gerne mehr wissen darüber, was Ihr Hund verstanden hat und wie er Sie von morgens bis abends um die Pfote wickelt? Kein Problem, in diesem Buch erfahren Sie es. Aber keine falschen Hoffnungen, Sie sind dagegen vollkommen machtlos.

Ich habe einen wunderbaren Hund. Holly. Holly ist Mozart. Und natürlich ist Holly der beste Hund der Welt. Das sagen bekanntlich viele Menschen von ihrem Hund, und das ist auch absolut in Ordnung, diese Menschen kennen Holly ja nicht. Sonst wären sie bekehrt.

Und Holly hat da mal was für Sie vorbereitet. Ihre Geschichte auf dem Weg zum besten Hund der Welt. Denn Holly hat verstanden – auch wenn es ein bisschen gedauert hat.

Ach so, ja, das hatte ich noch vergessen. Dies ist eine wahre Geschichte. Bis auf die Teile, die Holly sich ausgedacht hat natürlich. Dafür kann ich nichts, ich bin hier schließlich nur der Mensch, der alles für sie aufgeschrieben hat.

Kapitel Eins

Frauchen meinte, ich soll Ihnen erzählen, wie das so ist mit uns beiden. Also mit ihr und mir und den Missverständnissen. Die schonungslose Wahrheit soll ich berichten, sie könne damit umgehen. Hat sie gesagt. Klar. Ich mache auch gerne mal ein paar Tage freiwillig Diät. Und am allerliebsten gehe ich im Wald brav bei Fuß an der Leine, während alle anderen Hunde rumtoben dürfen. Aber was soll’s, fangen wir am besten ganz am Anfang an, dem Tag also, als das Schicksal Frauchen und mich zusammenführte. 

Ich verbrachte die ersten acht Wochen meines Lebens bei meiner Hundemutter, die einen eigenen Satz Frauchen und Herrchen hatte. Allerdings musste sie sich den teilen, mit Onkel Tom (ja, lachen Sie ruhig, genau wie der von der Hütte) und Tante Pippa. Und natürlich uns, ihre neun Welpen. Aber nur kurz, denn dann kamen jede Menge neue Frauchen und Herrchen und holten uns Welpen ab. Wir konnten schließlich nicht ewig und nicht alle neune bei Mama bleiben. Das mag Ihnen jetzt vollkommen normal und schlüssig vorkommen. Ist es aber nicht, zumindest nicht für den Hund. Der wird nämlich nicht nur nicht gefragt, ob er das überhaupt will, dem sagt auch keiner vorher Bescheid, dass bei Mama Schluss mit lustig ist und man mit roher Gewalt aus dem Nest geworfen wird. Und damit beginnen die Missverständnisse.

An jenem Tag war die Stimmung in meinem alten Zuhause irgendwie komisch. Herrchen war total aufgedreht, aber gleichzeitig traurig – so wie es eben nur Menschen können. Frauchen hat geheult wie der berühmte Schlosshund und meine Hundemama, ja die, die wirkte irgendwie richtig happy. Milch kriegten wir schon ein paar Tage nicht mehr von ihr, wahrscheinlich wusste sie, dass ihr Job getan war. Wenn ich es mir recht überlege, natürlich wusste sie, dass ihr Job getan war. Alle wussten das, nur leider hatte man vergessen, uns Welpen zu informieren.

Normalerweise ließ Herrchen uns nach dem Frühstück draußen spielen, an diesem Morgen aber blieben wir eingesperrt, stattdessen kam er immer wieder in unseren Welpenraum und nahm einen von uns mit. Erst „Blau“, dann „Rot“, dann „Gelb“, „Grün“, „Orange“, „Lila“, „Schwarz“ und „Braun“. Also „Blau“ und „Grün“ waren kein echter Verlust, die beiden hatten sich beim Fressen immer in die Schüssel gelegt, damit sie mehr abkriegten. Unter uns gesagt, hatte man ihnen das auch angesehen. Schlank ging anders. Vor allem im Vergleich zu mir, ich war schon bei der Geburt die zarteste von uns neun und war es geblieben, weil die beiden Dickwänste sich ständig aufs Fressen warfen.

Als Herrchen „Pink“ holte, wurde mir langsam mulmig zumute. Plötzlich war nur noch ich übrig. Ich war nie zuvor allein in dem Raum gewesen und begann vorsichtshalber mal zu heulen, was aber keinen interessierte, war schließlich keiner mehr da. Also tat ich das Einzige, was mir außer heulen einfiel: Ich schlief ein und wachte erst wieder auf, als Herrchen mich auf den Arm nahm.

„Weiß, meine Kleine, jetzt bist du dran“, sagte er und gab mir einen kleinen Kuss auf meine Hundestirn. Ich bedankte mich mit einem dicken Zungen-Schleckerer durch sein ganzes Gesicht. Ich war Herrchens Liebling, daran gab es keinen Zweifel.

„Du bist die Bekloppteste von allen“, hätte er wohl sonst nicht jedes Mal gesagt, wenn ich an seinem Hosenbein gezerrt hatte oder an ihm hochgesprungen war. Oder als ich in dem Gummireifen feststeckte und wie ein kleiner Buddha auf meinem Popo saß, während ich hektisch versuchte, das Ding durchzukauen, um endlich weiterrennen zu können.

Das alles war in dem Moment jedoch vergessen, ich spürte mein kleines Hundeherz wie wild pochen. Dran, was meinte der mit dran? Dieses Dran klang bedrohlich. Wie überhaupt alles an diesem Tag bedrohlich wirkte. Vielleicht würden wir alle umgebracht? Gemeuchelt, gemordet, verscharrt? Waren die anderen am Ende schon tot? Wir hatten uns oft gefragt, so vor dem Einschlafen, was eigentlich in dem großen Haus vor sich ging, in dem Herrchen, Frauchen, Mama, Onkel Tom und Tante Pippa wohnten. Wir hatten nur ganz selten rüber gedurft, nie lange und nie alle zusammen. Warum im Namen aller Hundegötter war uns das nicht gleich komisch vorgekommen?

Die großen Hunde hatten sich immer ziemlich bedeckt gehalten, wenn es darum ging, was da im Haus so alles passierte. Natürlich, die waren Teil der Welpen-Meuchelmord-Verschwörung! Plötzlich war alles klar. Hatte Tante Pippa nicht mal so ganz nebenbei erwähnt, dass man in China Hunde esse! Wer sagte eigentlich, dass wir nicht in China waren? Was war dieses China überhaupt? Sicher war das große Haus China. Nur so konnte es sein. 

Oh Gott! Mir fiel siedend heiß ein, dass Herrchen neulich zu einem der Besucher, die kamen und uns streichelten, gesagt hatte, dass er gerne mal wieder chinesisch essen würde. Irgendwas von Köstlichkeiten und Lieblingsgericht hatte er erzählt. Darum hatte er sich also neun zarte Hundewelpen in der Garage fettgefüttert. Neun Köstlichkeiten aus eigener Zucht!

Und heute war es so weit. Es war der Tag gekommen, an dem wir gekocht und verspeist würden. Von Herrchen und Frauchen! Wahrscheinlich machten Mama, Onkel Tom und Tante Pippa auch mit! Warum wurden die eigentlich nicht gefressen? Na, an mir würden die wenigstens wenig Freude haben, dünn wie ich war. Kein Wunder, dass die sich die fetten Brocken „Blau“ und „Grün“ zuerst geholt hatten.

Ich beschloss, gegen mein Schicksal zu kämpfen, und stemmte instinktiv meine kleinen Pfoten gegen Herrchens Brust und versuchte, mich aus seinem Arm zu befreien. Leider wusste der Mann, was er tat und ich strampelte vergebens. 

„Ganz ruhig, Weiß, meine Kleine, es wird alles gut.“

Ja, für ihn vielleicht. Wir waren schließlich nicht der erste Satz Welpen aus eigenem Anbau, den er sich großgezogenen hatte. Wir waren bereits der Q-Wurf und zum ersten Mal bemerkte ich, dass Herrchen auch nicht der Schlankste war. Der freute sich wohl auf sein Essen.

Er ging mit mir ins Haus, wo es herrlich warm war. Na super. Offensichtlich war der Mann gar nicht so ein Held, wie wir die ganze Zeit gedacht hatten. Ich meine, der hatte sich offenbar in der Riesenhütte ins Warme gesetzt und Hunde gegessen, während wir uns im Welpenzimmer eng aneinander kuscheln mussten, damit wir nicht erfroren. Mistkerl! An meiner Menschenkenntnis musste ich echt arbeiten. Wenn mir denn noch Zeit blieb, bevor ich in den Kochtopf wanderte.

Im Haus warteten drei Frauen auf uns. Zwei jüngere und eine große Ältere, die schon von Weitem so eine Hier-bestimme-ich-Art ausstrahlte. Ganz klar, eine Rudelführerin. Was wollten die hier? Hatte Herrchen mich etwa an die Tante da verkauft? Als Sonntagsbraten? Oder waren die drei zum Neun-Köstlichkeiten-Mahl eingeladen? Kam ich etwa als Letzte in den Ofen, weil ich so klein war? Das konnte nicht Herrchens Ernst sein! Ich stemmte meine Pfoten wieder gegen seine Brust und sah mich hilfesuchend um. Meine Mutter blickte gelangweilt in die andere Richtung, Onkel Tom, der immer ein wenig nah am Wasser gebaut hatte, schnüffelte betont an Herrchens Bein. Und selbst Tante Pippa, die für gewöhnlich total gut drauf war, schaute für ihre Verhältnisse betreten – aber auch irgendwie gierig. Gut, wir waren Retriever und Retriever haben immer Hunger, aber trotzdem, die hatten beide so ein verräterisches Flackern in den Augen, das ich so noch nie gesehen hatte.

Herrchen drückte mich der fremden Rudelführerin in den Arm und plötzlich ging es los. Sechs Hände fielen über mich her, als sei ich der letzte Hund auf der Welt und es gälte, mich zu Tode zu streicheln, was mich in meiner Vermutung bestärkte, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte.

„Ist die süß“, „Schau mal, die Pfötchen“, „Oh, hat die eine süße Nase“, „Wie die guckt“, so ging es mehrere Minuten lang. 

Ich dachte nur: Ja, wie guck ich denn wohl? Panisch? Lecker? Saftig?

Ich habe dann mal laufen lassen, da ich keinen Grund sah, mit voller Blase zu sterben. Das fanden die drei nicht mehr ganz so süß. Geschah ihnen recht, ganz ehrlich, wer isst denn bitte einen Hundewelpen und erzählt dem vorher noch, wie hübsch er ist?

Plötzlich ging alles ganz schnell. Die Tante marschierte mit mir auf dem Arm nach draußen, die beiden anderen trotteten brav hinterher. Wir sind in ein Auto gestiegen, ich kam bei einer der Jüngeren auf den Schoß und die Tante fuhr los. Gegessen würde ich also offenbar nicht. Zumindest nicht sofort und nicht von Herrchen. Wenigstens etwas. Nur, was um Himmels willen hatten die mit mir vor? Ordentlich Tschüss hatte Herrchen mir auch nicht gesagt. Was für ein Rüpel! Ehrlich, wie konnte man sich so verhalten? Er hatte mir nicht Tschüss gesagt! Was, wenn ich ihn nie wiedersehen würde? 

Herrchen? War der jetzt wirklich weg?

Herrchen!? So richtig weg? 

Ich begann zu heulen.

Kapitel Zwei

Die Autofahrt dauerte ewig. Herrchen war ein paar Mal mit meinen Geschwistern und mir durch die Gegend gefahren, damit wir das lernten, aber das waren höchstens ein paar Minuten gewesen. Die drei Tanten und ich waren mehrere Tage unterwegs! Oder noch länger.

Ich musste allerdings zugeben, dass die nicht so übel waren, die drei. Dafür, dass sie mich essen wollten. Die beiden Jüngeren haben mich die ganze Zeit gestreichelt, was mich wohl beruhigen sollte. Klappte leider nur ein bisschen gut, ich war so panisch, dass mir erst mal das Futter vom Frühstück wieder hochkam. 

Zurecht, wie sich schnell herausstellte. Die Obertante hielt nämlich sofort an und band mir einen Strick um den Hals. Aha. Jetzt war es so weit, ich wurde ausgesetzt. Das war also der wahre Plan! Oder Plan B. Offenbar taugte ich zum Festtagsbraten nicht, weil ich so klein war und es keine Aussicht gab, mich dicker zu kriegen, da ich alles wieder auskotzte.

Onkel Tom hatte uns erzählt, dass wir Rassehunde seien und großes Glück hätten, weil wir in einem Welpenzimmer aufwuchsen und nicht auf der Straße. Hat dabei geflennt wie ein Baby, als er von den armen Hunden im Tierheim und in Rumänien erzählt hat. Für einen fulminanten Flat Coated Retriever-Rüden war Onkel Tom schon ein rechtes Weichei. 

Tja, dachte ich, hätte ich damals bloß mitgeflennt, aber wie hätte ich ahnen können, dass ich selber mal an der Autobahn an einer Raststelle ausgesetzt werden würde, weil ich nicht fett genug war. So viel zum Thema Rassehund und Body-Shaming.

Die Obertante setzte mich auf die Erde und sah mich erwartungsvoll an. Ich sah erwartungsvoll zurück. Ich war ja wohl kaum der Chef hier. Die hatte mich schließlich gefesselt und geknebelt. Und wenn sie mich aussetzen wollten, musste die schon weggehen, nicht ich. In Ermangelung einer besseren Idee tat ich, was ich bereits den ganzen Tag getan hatte und was überhaupt nichts nützte: Ich stemmte meine kleinen Hundepfoten so fest ich konnte in den Boden und blieb sitzen. 

Nach einer Weile nahm die Tante mich hoch und ich war zum ersten Mal stocksauer auf meine Geschwister! Besonders auf „Grün“ und „Blau“. Wenn die mir nicht immer alles weggefressen hätten, wäre ich groß und stark und hätte ihr sicher Paroli bieten können. So aber saß ich hilflos auf ihrem Arm und stemmte meine Pfötchen gegen ihre Brust.

„Holly, Schätzchen, alles ist gut“, sagte sie plötzlich ganz sanft.

Langsam wurde mir das echt alles zu viel. Wer war bitte Holly-Schätzchen? Ich ließ erst mal laufen. Siehe da! Erfolg! Die Tante setzte mich ins Gras neben dem Gehweg. So ging das also, wenn man runter wollte vom Arm. Einfach laufen lassen, das würde ich mir merken.

„So ist es ein feines Pipi, das machen wir aber auf der Erde“, säuselte sie und streichelte mir über den Kopf.

Wahrscheinlich waren Holly-Schätzchen und Feines-Pipi die beiden Mädchen, die neben uns standen und dem Schauspiel „Ich rede wirres Zeug mit einem Hund“ wortlos zuschauten. So musste es sein, war mir in dem Moment aber total egal. Wenn ich schon auf der Erde saß, würde ich diesmal meine Chance zur Flucht nutzen! Ich rannte los, so schnell ich konnte, um sofort von dem Strick um meinen Hals gestoppt zu werden. Den hatte ich ganz vergessen.

„Gott, ist die süß!“, hörte ich plötzlich eine neue Stimme von oben. 

Ich sah hoch und da stand eine Frau, die mich ganz verzückt ansah.

„Hilfe!!“, bellte ich so laut ich konnte. „Ich bin entführt worden und die drei wollen mich später rösten und fressen! Oder aussetzen!“

Leider verebbte mein Schrei nach Hilfe in einem Strom aus „Wie niedlich“, „Die kann ja schon bellen!“ und „Wir haben sie gerade vom Züchter abgeholt“.

Ich versuchte erneut zu fliehen und zerrte an dem Strick, bis ich keine Luft mehr bekam.

„Die hat aber einen ganz schön starken Willen für einen so kleinen Hund“, kommentierte die Frau, während ich fast erstickte und Sternchen sah. Dann drehte sie sich um und ging.

Wahrscheinlich war die ebenfalls eine von diesen brutalen Welpenfressern und ich sollte froh sein, dass sie nicht gleich mal spontan zum Festmahl eingeladen worden war. Wobei, wen scherte es schon, ob sich später drei oder vier Menschen über meine zarten Schenkelchen hermachten?

Es dauerte nur wenige Sekunden und ich saß wieder auf dem Arm der Obertante, wurde zurück ins Auto gebracht und die Fahrt ging weiter. Den Strick um den Hals ließen sie mir vorsichtshalber wegen Fluchtgefahr dran. Selbstverständlich war ich lange noch nicht bereit aufzugeben, aber selbst der mutigste Widerstandskämpfer brauchte mal eine Pause. Ich schlief vollkommen erschöpft ein.

Kapitel Drei

Rückblickend gesehen war die Fahrt in mein neues Zuhause vielleicht gar nicht so schlimm und meine Angst, jede Sekunde ausgesetzt oder ermordet zu werden, leicht übertrieben. In dem Moment allerdings war ich nur ein acht Wochen alter Welpe, den man vergessen hatte auf den Verteiler zu setzen, dass seine Welt von einer Sekunde auf die andere aus den Fugen gerissen wurde. 

Und seien wir mal ehrlich, der Hauptgrund für die unzähligen Missverständnisse dieser ersten Stunden und Tage war simpel: Menschen haben einen Plan, auf dem ca. zwei Millionen Dinge stehen, was sie mit ihrem Hund vorhaben und von ihm wollen. Der Hund wird mit diesem Plan nicht überrascht, sondern aus einem Hinterhalt regelrecht überfallen und soll den ganzen Zinnober dann auch noch möglichst schnell verstehen. Und mitmachen, natürlich.

Keine leichte Aufgabe für uns Hunde. So als Hund macht man sich eben eher selten Gedanken, warum Pipi dort hui, an einer anderen Stelle aber pfui ist. Und haben Sie mal einem Wolfsrudel beim Fressen zugeschaut? Da versteckt keiner eine besonders saftige Keule in Schränken oder Schubladen, holt sie nur zu bestimmten Zeiten raus und schikaniert die anderen mit „Sitz“ und „Platz“, bevor sie ran dürfen. Da futtert jeder, sobald das Zeug da ist, und der Chef, der frisst eben als erster.

Leinen? Wofür braucht man Leinen? Wir würden doch aus Liebe zu unserem Menschen sowieso immer wieder zu ihm zurückkehren. Was stört eigentlich daran, wenn wir auf dem Weg zu ihm ein bisschen spielen, einen kleinen Snack am Straßenrand einnehmen, kurz mal schnüffeln? Aber damit wären wir beim springenden Punkt. Wir Hunde haben ebenfalls einen Plan, auf dem steht allerdings nur genau ein Punkt: Liebe. Das ist die Schnittmenge zwischen Menschen- und Hundeplan. Menschen lieben ihre Hunde und Hunde lieben ihre Menschen. Und genau deshalb spielen wir Hunde mit und halten uns mehr oder weniger eng an den Menschenplan. Auf unserer Seite steht ja sonst nichts, wir haben die Kapazitäten am Menschenplan mitzuarbeiten, sofern wir ihn verstehen. 

Ich wachte aus meinem kleinen Widerstandkämpferinnen-Welpen-Schläfchen zu den Worten „Das wird eine lustige Nacht, nachdem die Kleine vier Stunden im Auto gepennt hat“, wieder auf. Es war stockdunkel und ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Ich ließ erstmal laufen und seufzte aus ganzem Herzen.

„Oh, Schnuckelchen ist doch alles gut“, erklärte eins der Mädchen, auf deren Schoß ich immer noch saß. „Alles wird gut, auch wenn ich die Hose ganz sicher wegschmeiße, nachdem du mir da mehrfach drauf gepinkelt und gekotzt hast. Damit kann ich mich ja safe nirgends mehr blicken lassen.“

Ich sah mich um. Wo war Schnuckelchen? Hatten die, während ich kurz mal weggenickt war, etwa noch einen Welpen geholt? Moderne Vorratshaltung, oder was sollte das werden? Planten die eine Party? Frei essen für alle? Waren die unersättlich? Zumindest waren sie gute Futterverwerter, dick sahen sie alle nicht aus.

Wir stiegen aus dem Auto aus und ich wurde in einen kleinen Park gesetzt. Einen winzigen Park direkt vor einem Haus, um es mal genau zu sagen. Fand ich gut, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was ich da jetzt wieder machen sollte. Wegrennen ging immer noch nicht, schließlich hatte ich weiterhin meinen Strick um den Hals.

„Feines Pipi“, forderte mich die Obertante aufmunternd auf. 

Ich sah sie an. Was wollte die von mir? Sollte ich Feines-Pipi beißen? Fressen? Anspringen? Feines-Pipi und Holly-Schätzchen standen wie schon zuvor neben unserer gemeinsamen Gebieterin und guckten mich an. Diese Menschen sprachen so was von in Rätseln und ich wünschte mir plötzlich, Onkel Tom wäre da, der konnte immer so gut erklären, was die von uns wollten. Aber Onkel Tom war weg. Genau wie Tante Pippa, Mama, Herrchen und Frauchen. Ich begann zu heulen.

„Ich glaube, sie ist mit Pipi fertig“, erklärte die Tante und nahm mich auf den Arm.

Hä? Was sollte das jetzt wieder? Was hatte ich mit Feines-Pipi zu schaffen, außer, dass ich offenbar die vergangenen Stunden auf ihrem Schoß gesessen hatte? Ich kannte das Mädchen doch gar nicht und war schon mit ihr fertig?

Mir schwante langsam, dass diese Leute, bei denen ich da gelandet war, nicht ganz dicht waren. Hoffnung keimte in mir auf, dass die vielleicht sogar zu blöd sein würden, mich zu kochen und zu essen.

Sie trugen mich in das Haus neben dem Park, wo ich sanft zurück auf den Boden befördert wurde und der Strick endlich abkam. Die drei schauten mich erwartungsvoll an, das machten die offenbar ganz gerne. Musste so eine Art Hobby von denen sein. Ich setzte mich hin und schaute zurück. So ein Flat Coated Retriever kann sehr anpassungsfähig sein.

Eine Zeitlang passierte nichts. Mir schwante plötzlich, dass sie wohl warteten, dass ich etwas machte. Das hatten wir gerne, sich einen Sonntagsbraten ins Haus holen und der sollte vorher noch den Entertainer geben. Ich tat ihnen den Gefallen, denn trotz aller Angst vor meiner kurzen Zukunft, war meine Neugierde stärker. Wenn ich schon in Bälde im Kochtopf landete, konnte ich aus der Zeit, die mir verblieb, wenigstens das Beste machen. Irgendetwas war außerdem ganz merkwürdig in diesem Haus. Dieser Geruch, der überall hing, ganz, ganz komisch. Ich lief, Nase auf dem Boden, los.

„Sie riecht den Eddie!“, hörte ich die Obertante begeistert rufen.

Was war Eddie? Mir wurde das mit diesen ganzen Namen langsam zu bunt. Ich schaltete meine Ohren auf Durchzug und konzentrierte mich lieber darauf, die neue Umgebung zu erkunden. Das war so spannend, dass ich fast vergaß, Angst zu haben. Und dann geschah etwas ganz Wunderbares. Dachte ich zumindest für einen kurzen Augenblick.

5 Kommentare zu “Holly. Ein Hundeleben – Das Buch

  1. Edeltraud Wunder

    Oh wie süß!
    Ich freue mich schon wie es weiter geht mit Holly 🥰
    Ganz toll geschrieben, wir sind begeistert
    Beagle- Bruno und
    Shih Tzu – Enno drücken die Daumen 👍

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  2. Heidemarie Rabe

    Hallo, liebe Holly, das hast Du ja schon ganz toll geschrieben. Ich freue mich sehr auf das komplette Buch. Ich muss schon sagen, Du hast Dir viel von deinem Frauchen abgeschaut, die kann nämlich auch so toll schreiben! Also, mach weiter so, ich bin echt gespannt. Liebe Grüße von Heidi

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  3. Liebe Holly,
    da hast du ja ein ganz zauberhaftes Buch schreiben lassen. Du bist wirklich der beste Hund Hund der Welt, echt (nach meinem Tyson, übrigens, Labrador-Boxer-Miy, der jetzt aber nicht mehr bei uns ist). Ich liebe Frauchens Berlinkrimis, aber das Holly-Buch habe ich sozusagen verschlungen wie ein Flat sein Futter. Auch Eddies Rolle hat mir dabei gefallen, bei mir wohnt seit 10 Jahren Merlin, 7 kg weißer Siamkater. Und über den Umgang mit Pubertiers kann ich nach 19 Jahren fast selbst ein Buch schreiben. Von daher: nun bin ich nicht nur ein Fan von Frauchen, sondern von euch allen.
    Richte Frauchen doch bitte aus, dass ich UNBEDINGT und SCHNELLSTENS auf eine Fortsetzung von Dir und Deiner Familie warte, ja?
    Bis dahin alles Liebe von Anja und Merlin

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